In der hinteren Ecke des Regals steht noch ein Glas. Apfelkompott, eingeweckt nach der reichen Ernte im letzten Jahr und aus Früchten, die im eigenen Garten von der Blüte zum grünen Obst gereift sind. Schon das Knacken beim Aufschrauben des Metalldeckels und der Gedanke an die heißen Apfelstückchen, vielleicht mit ein bisschen Zimt bestreut, wärmt an dem sonst ungemütlichen Oktobertag.
Dieses Gefühl ist nicht zu vergleichen mit der Hitze eines abgestandenen Luftschwalls, der an kalten Tagen beim Betreten der U-Bahn entgegenrollt. Viel eher sind es letzte kraftvolle Sonnenstrahlen im Herbst, die wärmend bei einem Frühstück auf dem Balkon das rechte Ohr kitzeln. Warmes Apfelkompott ist wie eine feste Umarmung.
Oder wie ein Prismala Song.
Am 9. Oktober folgt nach drei Jahren endlich neue Musik auf das 2017er Debüt Colours of a Summer. Es sind fünf Lieder voller Liebe. Und über die Liebe. Oder den Weg, auf den sie manchmal abbiegt. Die Höhen, die sie mit einem Strauß frischer Blumen besteigt und die Täler, für die nur noch eine welke Blüte übrig bleibt. Doch akzeptiert man das Verblühte, arrangiert sich mit den Ereignissen, kann daraus ebenso etwas Schönes wachsen. Ein Song zum Beispiel, oder eine ganze EP.
Coming to Terms
Seit einiger Zeit sammeln Prismala Ideen und Elemente für neue Musik. September 2018, aus den Skizzen entstehen Songs. Ein halbes Jahr später beginnen die Aufnahmen und setzen sich mit Unterbrechungen, die dem Studium geschuldet sind, bis zum September diesen Jahres fort. Im Gegensatz dazu wirkt die Entstehungsphase vom vorigen Album der vierköpfigen Band wie ein Wimpernschlag. Doch was lange währt, wird bekanntlich gut?
Stunden zwischen Melodie, Rhythmus und Kabelsalat zu ihren Füßen, die die Band in einem Video dokumentiert, münden in einen atmosphärischen Gesamtklang. Prismala selbst würden diesen als Alternative Soul und Hip Hop beschreiben. Vielleicht haben auch R&B, Rock, ein bisschen Jazz ebenfalls ihren Einfluss hinterlassen.
Abgesehen von der Frage nach dem Musikgenre und einem Vergleich mit zimtigem Apfelkompott, hören sich die Songs auf Coming to Terms nach einem flauschigen Klangteppich an, durch den man barfuß Walzer tanzt. Obwohl der Takt das gar nicht angibt. Getragen werden die Melodien von den Rhythmen des Schlagzeugs. Leicht wie ein Blatt, das zu einem Papierflieger gefaltet friedlich durch die Luft segelt. Und an den richtigen Stellen in einen Looping geht, um die Fluglinie und das mitfühlende Kopfnicken hier und da aufzulockern.
Dann der Gesang. Vom Beginn des ersten Songs an wird man von einer weichen Stimme eingehüllt. Aneinandergereihte Worte verknüpfen sich zu einem fließenden Gewebe. Mit dunkler Klangfarbe, in Sprechgesang, durch dezente Melancholie verziert oder in warmen, melodiösen Passagen. Angenehm sickert der Gesang in den Gehörgang wie die Tinte nach einer geschwungene Handschrift in die Papierfaser.
Dieses Gerüst aus Schlagzeug und Gesang wird mit angeschlagenen Gitarrenakkorden umspült. Wie eine auslaufende Welle nähert und entfernt sich der rauschend perlende Klang. Manchmal spielt eine Melodie, die als Sonnenstrahl die Wolkendecke durchbricht. Licht, das zu einem Solo aufgewickelt wird und über dunkle Wände zuckt, während es dem Ende eines langen Tunnels entegegenrast. Und hört man genau hin, ranken sich durch die Gitarrenmelodien zuerst unscheinbare Basstöne. An manchen Stellen tauchen sie auf wie ein verlegtes Schmuckstück. Vor allem geben sie dem Hintergrund seine Tiefe.
Alle Komponenten addiert ergeben einen umarmenden Sound, der beim ersten Song Daffodils für ein familiäres Willkommen sorgt. Über den Klang legt sich im Folgenden bei Heart Theft die Erkenntnis eines Diebstahls, der in keiner Polizeiakte registriert werden kann. Als drittes bietet Jealousy einen lebhaften Groove, der im Gegensatz zur Melodie der Eifersucht hervorragend zum Liebessong oder Song der Liebe(nden) passt.
In A Soul’s Demand vermischen sich die eigenen Bedürfnisse und Gedanken mit Zweifel, einem Entschluss und auch der Klang schwingt in dezenter Wehmut. Ohne Gitarren, ohne Bass und das Schlagzeug, nur vom Piano begleitet schließt die EP und Peonies ab. Alles Schöne hat auch ein Ende und manchmal lohnt es sich. Eine Intervallfolge baut sich auf und man fiebert mit bis zur finalen Auflösung. Dann verklingt das Lied mit letzten hellen Tönen.
Foto: Max Herfurth