EIN BEAT, EINE GITARRE UND EINE STIMME

Schon von Weitem ist die rot leuchtende, Bowie-eske Frisur von Crayon Jones zu erkennen. Die Gitarre im Rucksack über der Schulter wartet er zusammen mit seinen Bandkolleginnen Nico Rosch und Vik Chi vor dem Geschwister Nothaft Café, wo es noch einen Matcha Latte auf die Hand gibt, bevor die Probe beginnt. Wie sonst jeden Donnerstag trifft sich das Trio in Berlin Neukölln, um für das gemeinsame Bandprojekt zu üben – Indie, Garagenrock und DIY treffen hier unter dem Namen LOBSTERBOMB aufeinander. 

Etwas mehr als ein Jahr ist es her, dass sich die Gruppe per Inserat über den, von der Berliner Band Gurr ins Leben gerufenen, Instagramaccount @weformedaband fand. So lernten sich im Januar 2020 Nico und Crayon kennen, die dann bereits zusammen probten und wenig später bei gemeinsamen Lockdown-Spaziergängen entschieden, Vik mit ins Boot zu holen.

„Looking for a motivated song writing guitarist to make shit happen“

war die Überschrift von Vik’s Gesuch, in dem die Ex-Gitarristin nach gescheiterten Bandprojekten selbst Drumsticks in die Hände nimmt und auf tatkräftige musikalische Unterstützung hofft. „Ich habe vorher mit Freund*innen in Bands gespielt und das hat zwar Spaß gemacht, aber oft hängt man auch nur ab und macht nichts. Mit fremden Leuten, die die gleiche Motivation teilen, gibt es ganz andere Voraussetzungen.“

So kam es, dass sich die neu gefundenen Bandmitglieder auch trotz Corona-Auflagen nicht aus den Augen verloren und das letzte Jahr insgesamt gut gestimmt überstanden. „Ich habe das Gefühl, dass es uns als Band eher zusammengeschweißt hat. Gerade weil wir so viel Zeit hatten, um Songs zu schreiben und uns auszutauschen“, lässt die Sängerin von LOBSTERBOMB die vergangenen Wochen Revue passieren. Denn auch sie und zahlreiche Songs, die solo entstanden und teilweise seit 2017 auf irgendeiner Festplatte verstaubt sind, profitieren von der Bandgründung per Inserat. „Es hat mir sehr viel Struktur gegeben, von außen und zwei fremden Personen Input zu bekommen.“

„Es hat einfach gepasst – manchmal ist das so.“

Diese Aussage fasst die Situation, in der sich das Trio befindet, ganz gut zusammen. Auch musikalisch kamen sie über Einflüsse von z.B. der experimentellen Rockgruppe Velvet Underground, dem Elektro-Duo Suicide, der Sängerin Joan Jett, dem psychedelischen Tame Impala oder dem Post-Punk von Priests schnell auf einen Nenner. Jede*r aus der Band gibt eine persönliche Zutat in den Kochtopf – sei es ein scheppernder Schlagzeugrhythmus von Vik, Crayon’s rauschende Gitarrenbegleitung oder der entrüstete Gesang von Nico – und am Ende ergibt es „ein geiles Essen, Spaghetti Bolognese oder so“, zieht die Sängerin den Vergleich. Wie das Rezept der Spaghetti Bolognese ist die Musik von LOBSTERBOMB unkompliziert und bodenständig: „Unser Sound ist sehr einfach und direkt. Man braucht nur einen Beat, eine Gitarre und eine Stimme – nicht so viel blablabla.“

Die drei bereits veröffentlichten Singles Wake Up, I Want Noise und Yes Yes Yeah zeigen, dass sich die Berliner Band nicht in verkopften Klangstrukturen verirrt. Es gibt keine ausschweifenden Gitarrensoli, komplizierte Tunings oder überproduzierte Melodien. „Manchmal ist es gut, sich ein ein bisschen einzuschränken“, sagt Nico bezogen auf die musikalischen Limitation, die sich das Trio bewusst gesetzt hat, „das hilft, um klar zu denken.“ Auch Schlagzeugerin Vic stimmt dem zu:

„Ich finde es cool Musik zu machen, die ziemlich simpel ist und wo man raushören kann, was alles gespielt wird. Backt to basics also. Einfach straight forward.“

Ein erster Höreindruck dieser ungeschliffenen, scheinbar drauflosgespielten Songs ruft dabei vielleicht die voreilige Schubladisierung in die Kategorie Punkrock hervor. Eine Assoziation, die auch durch begleitende Artworks im Collagenstil unterstützt wird. „Punk ist irgendwie ein Klischee geworden. Eigentlich sind es jetzt alte Männer in Lederjacken.“ Mit einem ironischen Räuspern kommentiert Crayon die Aussage seiner Bandkollegin und beginnt sich demonstrativ seine Lederjacke auszuziehen. Denn auch wenn zwei Drittel der Gruppe bunt gefärbte Haare und Lederjacken tragen, identifizieren sich LOBSTERBOMB nicht mit dieser Musikrichtung. Vielmehr ist ein bestimmtes Merkmal dieser Szene, das die Band fasziniert und somit ebenfalls ihre Musik prägt – die Do It Yourself (DIY) Mentalität. 

Heutzutage ist einfach, selbst Musik zu machen. Auch das Recording verliert durch Tools, die im Internet zum Download bereit stehen, seinen auf Expertise beschränkten Zugang. „Wenn man am Anfang keine Ahnung hat, sollte man sich davon nicht abschrecken lassen. Wir haben uns auch von Song zu Song vorgearbeitet“, beschreibt die Sängerin ihre DIY Aufnahmen im Probenraum. Dass sie bis auf das Mixing ihrer Songs, was von Peter Thoms der Band Akne Kid Joe übernommen wird, alles selbst in die Hand nehmen, gibt der Band einen flexiblen Zeit- und Gestaltungsrahmen. Doch neben diesem Vorteil, der in den letzten Jahren auch viele Bedroom Produzent*innen in die eigenen synthetischen Klangwelten beförderte, plädiert die Gruppe vor allem auf eins: Imperfektionismus.

„Momentan wirkt Pop und auch Rockmusik so künstlich. Im Recording wird alles aufs Grid angepasst und im Endeffekt scheint vieles gleich. Ich bin diese Fülle an Perfektionismus leid, die mich persönlich auch sehr müde macht. Was uns dagegen ausmacht und viele andere Bands, die gerade rauskommen – wir sind nicht perfekt! Da ist auch mal ein Drumbeat sloppy gespielt, aber das hat Charme. Ich möchte auch kein Autotune mehr hören, sondern richtige Stimmen“, fasst Nico den Sound und ihre damit verbundene Herangehensweise zum Songwriting und -recording zusammen.

Es muss nicht immer innovativ und besonders sein, so lange es Spaß macht, zum Tanzen bewegt! Und neben dem Aufnehmen der eigenen Songs als Zeugnis dieser gelungenen gemeinsamen Bandzeit will die Gruppe vor allem Mut machen. Dafür, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen, nicht immer perfekt oder originell sein zu müssen.

„Es ist cool, wenn man eine Band hört und danach denkt: Das kann ich auch! Und hoffentlich sehen uns viele Leute, die genau das denken und ihre eigenen Bands gründen.“

Dieser Text basiert auf einem Interview mit Crayon Jones, Vik Chi und Nico Rosch am 22.05.2021.