DESIGN UND MUSIK

„Es war immer ein großer Traum von mir, etwas in Verbindung mit Musik zu machen.“ Da er kein Instrument spielte, blieb Sandro Rybak’s Wunsch, in einer Band zu spielen, jedoch unerfüllt. Bis klar wurde, dass man gar nicht musikalisch aktiv sein muss, um seinen Teil zur Musiklandschaft beizutragen. „Und jetzt kann ich mit meinen Designs einer davon sein!“ Denn zu einem Album, einer Band gehört mehr als ein paar Personen mit Instrumenten in der Hand. 

Besonders klar wird das, wenn endlich Release Tag ist. Der Postbote reicht dir ein braunes Päckchen über den Zaun und voller Vorfreude reißt du den Pappkarton auseinander, um dann eine bunte Überraschung in Empfang zu nehmen. Der Blick wird direkt von Bildern in Bann gezogen, die das Albumcover zieren. Hier beginnt das Hörerlebnis, bevor die Platte auf dem Spieler ihre Runden dreht. Denn Design ist nicht nur vom Sound geprägt, sondern beeinflusst dabei auch selbst, wie wir Musik empfinden.

Sandro Rybak hat bereits für das Geschwisterduo Yukno designt. Ihr zweites Album Im Stream der Zeit, auch die davor erschienene Land of Confus1on EP ist in seine Grafiken gehüllt. Shirts, Poster oder Singlecover entstanden. Es folgten Projekte wie die Up Close EP von Sultans Court oder die Konzeption von Tourplakaten. Die galaktischen Designs von Sandro sind mit Wiedererkennungswert ausgestattet, satten Farben und klaren Formen, die eine unklare Welt eröffnen, in der Physik mit Fantasie verfließt. 

„Ich war das Kind, was lieber allein war und gezeichnet hat, als mit anderen etwas zu unternehmen“, 

beginnt Sandro Rybak den Ursprung seine „Künstler Tragödie“ einzuordnen. Schon früh wurde er mit der bildenden Kunst bekannt gemacht. Zum Beispiel als er in der elterlichen Wohnung immer wieder auf die Zeichnungen und Aquarelle seines Vaters, der selbst malte, stieß. Doch es brauchte erst einen Umzug nach Frankreich und den Kunstlehrer der neuen Schule, um dem damals 16-jährigen die Augen für Design zu öffnen. 

„Design schien der perfekte Mittelweg zwischen Kunst und „davon kann ich leben“ zu sein.“ 

Mit einem Augenzwinkern fügt Sandro hinzu: „Deswegen habe ich dann angefangen Jura zu studieren.“ Dieses Vorhaben hielt für vier Jahre, bevor Sandro den gewählten Studiengang abbrach und sich danach in Trier bis 2012/13 einem Kommunikationsdesignstudium zuwandte. Darauf folgte ein sechsmonatiger Aufenthalt in China, wo Sandro als Konzeptartist für Filme gearbeitet hat. Doch nach seiner Rückkehr war ihm klar: „Ich möchte mehr illustrieren, weil ich festgestellt habe, dass Konzeptart nichts für mich ist. Ich möchte mich austoben und meinen Weg gehen.“ Und dieser Weg führte ihn zur digitalen Kunst, auf die er bereits 2008 durch ein digital arts Forum stieß.

Ehe jedoch der Pinsel oder in dem Fall der digitale Zeichenstift geschnappt werden kann, ist Sandro als unbekannter Designer mit dem Problem konfrontiert, an Aufträge zu kommen. Auch jetzt ist er noch nicht an dem Punkt, wo er von seinen Designs gut leben kann. „Es gibt immer noch Momente, wo ich nicht weiß, ob ich im nächsten Monat die Miete bezahlen kann. Das ist oft super beängstigend. Wie viele schlaflose Nächte ich schon hatte, weil ich nicht wüsste, was ich machen soll, wenn morgen kein Auftrag reinkommt…“ Irgendwie konnten bisher alle Engpässe überbrückt werden – wenn auch mit Wintermonaten ohne Heizung oder einem sehr reduzierten Speiseplan. Für die eigene Freiheit als Selbständiger hat Sandro das in Kauf genommen. 

„Am wichtigsten ist für mich einfach, meine Freiräume zu haben und Zeiten selbst einteilen zu können.“

Den ersten Kontakt zur Musikbranche gab es im letzten Jahr. Eine der Montagsplaylisten auf Spotify sorgte dafür, dass Tomorrowland von Yukno fortan bei Sandro in Dauerschleife spielte. „Das ist eins dieser Lieder, die wie ein Mantra bei mir durchliefen“, erinnert sich der Designer. Inspiriert vom Song erstellte er ein Posterdesign, lud es auf Instagram hoch und machte so die Band auf sich aufmerksam. Daraus entwickelte sich eine Zusammenarbeit, die vom ersten Singlecover für Eine Sekte 2019 bis zum zuletzt im Oktober erschienenen Album reicht. 

Und wie ist es, Musik grafisch zu interpretieren? 

„Oft versuche ich, den Klang und die Stimmung visuell festzuhalten. Allein beim Musikhören entsteht schon eine Vorstellung im Kopf. Doch manchmal konzentriere ich mich auch nur auf den Text und ein schönes Bild in den Lyrics. Und dann gibt es natürlich auch Kund*innen, die konkret sagen, was sie haben möchten.“ Auch wenn Sandro selbst gern Musik hört, versteht er manche Textinhalte nicht. Dann kann es hilfreich sein, wenn die Künstler*innen ihre Ideen oder Leitgedanken hinter einer bestimmten Zeile näher erklären. Sofern sie dafür offen sind. Ganz fasziniert ist Sandro auch von der Herangehensweise beim letzten Bon Iver Albumcover, für dessen Erschließung der Art Director Eric Timothy Carlson auch die Studioaufnahmen des Musikers begleiten durfte.

„Apropos Bon Iver – da steht auch noch ein Konzert aus, für das ich schon ein Ticket habe.“ Im Moment vermisst, wie wir wahrscheinlich alle, auch Sandro die Konzerte. Dass er für die kommende Yukno Tour bereits fünf Mal das Plakatdesign mit neuen Terminen umgestalten musste, macht es nicht einfacher. Solang die Clubs noch geschlossen bleiben, wird die Zeit mit musikalischen Neuentdeckungen überbrückt. Und dabei greift der Designer, wie bei besagter Spotify-Montagsliste, lieber auf Playlisten zurück, als auf ein Album in voller Länge. 

„Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal ein Album durchgehört habe.“ 

Ein aktuelles Lieblingslied ist Ruin von der Wiener Band Culk. Und sonst wird bei Sandro von Indie bis Metalcore so ziemlich alles durch die Lautsprecher gepumpt. Vor einiger Zeit zum Beispiel auch das Vaporwave Genre. Dieser Trend zeichnet sich durch seine langsamen, verblasst scheinenden Versionen elektronischer (Pop-)Musik aus und ist eng verknüpft mit einem nostalgischen, warmen Gefühl. Sowas wie „music from another room“. Parallel dazu entwickelte sich eine Webdesign und 3D-Objekte kombinierende Vaporwave Kunstrichtung, die sich ebenfalls als Inspiration in Sandro’s Designs abzeichnet. 

Wenn sich dann doch ein Album in die Musikauswahl von Sandro verirrt, ist es höchstwahrscheinlich Mother Earth’s Plantasia von Mort Garson. Nicht nur der super angenehme Klang des Albums überzeugt, sondern auch das Cover Artwork. Es wurde von Robert Beatty, dem gleichen Künstler hinter Tame Impala’s Albumcover zu Currents, entworfen. „Er ist auch einer der Künstler, die mich sehr geprägt haben“, schließt Sandro unser Skypegespräch über Musik und Design. Bevor er zum Abschluss noch ein Plattencover vor die Kamera hält – Music from Patch Cord Productions von Mort Garson – das für ihn aktuell den Titel eines schönsten Albumcovers verdient hat.

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Ein Beitrag geteilt von Sandro Rybak 🐬 (@sandroryry)

Dieser Text ist auf Grundlage eines Interviews mit Sandro Rybak am 20.11.2020 entstanden.