Death to all but Metal / Full Force 23

Wow was für ein Festival! Ich muss ganz ehrlich sagen, ich bin begeistert. Warum, wie, was gibt es in einem kleinen Text, sowie natürlich die Beantwortung der im Voraus gestellten Forschungsfragen! Hier aber erstmal eine Full Force Kurzfassung, für alle mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne:

Meine Top 5 Auftritte

  1. Vukovi
  2. Wargasm
  3. Nova Twins
  4. Svalbard
  5. Stand Atlantic

Das beste Outfit: Nova Twins und Brax von Zulu

Schönste Gitarre: Debbie Gough’s von Heriot

Die meisten Crowdsurfer: Papa Roach

Der beste Moshpit: Vukovi

Die schönste Frisur: Sam Matlock von Wargasm


Während der Freitag laut der Band Caliban noch ganz unter dem Motto „Regen bedeutet Leben und wo Leben ist, gibt es auch Tod – deshalb machen wir jetzt eine wall of death“ stand und überall bunte Regencapes im Nieselregen knisterten, gab es den Rest des Wochenendes sommerliche Temperaturen mit Sonnenschein. Ich war, nachdem ich meine Sachen vom Freitag getrocknet hatte, am Sonntag nochmal auf dem Festivalgelände und hatte die beste Zeit! Hier ein kleiner Wochenendrückblick aus meiner Sicht eines mit Indie sozialisierten Musikfans.

Die Ankunft am Freitag verlief mit dem Shuttlebus vom Bahnhof Gräfenhainichen problemlos. Jedoch verstehe ich immer noch nicht, wieso hier die Pendelzeit nur bis 21 Uhr ging und am Samstag gar nicht und am Sonntag bis 22 Uhr.. Für Tagesbesucher*innen ohne Auto eher ein Downer und auch für mich, die ursprünglich nur einen Tag in den Metal Sommer reinschnuppern wollte. Mit Öffnung des Festivalgeländes war ich dann pünktlich in Ferropolis und dieser Gedanke rückt einige Stunden in den Hintergrund.

Zuerst habe ich mich beim Essensangebot bedient, um dann gestärkt und vor dem einsetzenden Regen flüchtend vor der Hardbowl Stage (die glücklicherweise überdacht war) Platz zu nehmen. Die ersten drei Bands, die ich an diesem Tag sehen möchte, spielen alle nacheinander dort. Los geht’s mit Zulu – gut besucht, doch ich kann nicht sagen, ob wegen der Wetterlage oder dem Fangefolge. Leider war dieses Set unglaublich kurz (kürzer als eingeplant) und die erste musikalische Euphorie verblasste bei mir direkt. Zum Glück nicht lang, da Nova Twins als nächstes auf dem Plan standen und sowohl mit ihren bombastischen Outfits als auch coolen Basslines die Bühne zerschmettert haben. Ich habe mich so unendlich gefreut, dieses Duo (plus Drummer) endlich live zu sehen! Daher ging es vor Freude strahlend weiter mit Employed To Serve, die die ersten ausgelassenen Headbanger des Tages hervorbrachten.

Für den vierten Programmpunkt auf meiner Liste musste ich dann die Bühnen wechseln und machte einen Spaziergang über das beeindruckende Gelände mit seinen metallenen Gerüsten und Baggern, sowie einem idyllischen See als Hintergrundkulisse. Die Backyard Stage war zwischen zwei Gebäuden und aufgetürmten Containern situiert. Etwas abgeschirmt vom Trubel des Geschehens scheint hier die Atmosphäre ultimativ familiär und das kurbelte die Stimmung nachhaltig an. Es wird ein Moshpit in der großen Schlammpfütze mittig vor der Bühne initiiert. Einer der liebsten und ausgelassenste Tänze im Dreck, den ich jemals hatte. Und ein abschließender Höhepunkt meines ersten Full Force Tags.

Ein Wiedersehen gab es dann am Sonntag, wo ich mit dem ersten Bus zum Gelände fuhr, um den Auftakt von Wargasm auf der Hardbowl Stage nicht zu verpassen. Das Duo war neben Nova Twins mein absolutes Must-See und sie haben mich mit ihrer energiereichen Performance nicht enttäuscht! And diesem Tag werde ich nicht so lang vor ein und derselben Bühne stehen und mache mich mit dem letzten Song direkt auf den Weg zur Medusa Stage. Am Regentag kam diese nicht ganz zur Geltung, doch jetzt da die Temperaturen „oberkörperfrei“ und „Köpper in den See“ schreien, bin ich fasziniert von der Lage dieser Livemusikanlage! Vor der Bühne Sandstrand und danebst ein Badezugang zum Wasser. Stand Atlantic ist die nächste Band, die hier spielt und einen kleinen Moshpit im See anzettelt, während sich immer mehr Leute für die etwas pop-punkigere Musik in der hinteren Ecke des Festivalgeländes versammeln.

Angemerkt sei kurz, dass ich unbedingt meine Skills kleine Dinge zu fangen verbessern möchte. Weil der Bassist mir sein Plektrum zuwerfen wollte und ich das Ding nicht zwischen Finger bekommen habe. Naja, als nächstes spielten dann Heriot auf der Backyard Stage, wo ich ganz besonders die gründe Gitarre der Sängerin bewundert habe. Eingesammelt von einem Freund, trotten wir danach direkt unter der nun sengenden Sonne zur Hardbowl Stage zurück. Hier spielen Paleface Swiss, der Sänger trägt ein cooles Netzoberteil und zum ersten Mal in meinem Leben sehe ich, wie die Leute eine Crowdsurfschlange über den Köpfen des Publikums bilden und die Secus mehr als beide Hände voll zu tun haben, alle Personen sicher im Bühnengraben abzusetzen. Das war cool. Und auch ein Beweis, dass das mit dem Crowdsurfen bei Metalkonzerten einfach besser abläuft bzw. die Leute rücksichtsvoller miteinander umgehen, als ich es zum Beispiel von (Post-)Punkkonzerten kenne. Hier tippte man sich gegenseitig auf die Schulter, um darauf aufmerksam zu machen, dass jemand von hinten kommt oder man schließt Lücken und trägt die Person auch ein Stück, damit sie nicht runterfällt. Alles Dinge, die ich bisher durch meine gewohnten Konzertbesuche nicht als selbstverständlich wahrgenommen habe. Das war ein tolles Erlebnis auf dem Full Force!

Dann habe ich mir noch Spiritbox angesehen, eine Pause am See eingelegt und die Altherrenband Meshuggah mit eindrucksvollem Bühnenbild auf der Mainstage bestaunt, bevor ich zu Svalbard in den kuscheligen Backyard zurück bin. Danach gab es eine kleine Ruhepause und anschließend Papa Roach vor der mit bunten Lichtern beleuchteten Kulisse des ehemaligen Braunkohleabbaugebiets. Mit Feuerwerk und den meisten Crowdsurfern, die ich je auf einmal gesehen habe, endet das Festival.


Nach diesem kleinen Rückblick möchte ich mich nun meinen Forschungsfragen widmen:

1. Headbangt man im Takt auf 1 & 3 oder auf 2 & 4 oder die ganze Zeit?

Dieses Phänomen habe ich ausführlich beobachtet, aber bin mir immer noch nicht ganz sicher. Ich würde sagen, am verbreitetsten ist das Headbanging auf 1 & 3, ganz entgegen dem Klatschen in der Popmusik auf 2 & 4. Jedoch gibt es auch Passagen, an denen auf jeden Taktschwerpunkt der Kopf und die volle Haarpracht geschwungen wird – wobei ich da nicht weiß, ob es vielleicht auch 1 & 3 nur in halben Noten. Der seltenste Fall, dass auf 2 & 4 geheadbangt wird, trat nur bei einer Betonung dieser Zählzeiten ein. Zum Beispiel durch messerscharfen Snaredrum-Sound.

2. Wie übersteht man ein Festival bei 26 Schattengrad im schwarzen T-Shirt?

Ich glaube, hier sammelt das Full Force Festival einen Pluspunkt durch seine Seenähe. Ich weiß wirklich nicht, wie die vielen schwarz gekleideten Leute das sonst ausgehalten haben, ohne jegliche Anpassung an das Wetter – dies war auch an den massivst sonnenverbrannten Nacken, Schultern und Waden zu sehen. Was auch ein Trick ist, der vor allem an den Wasserstationen vermehrt praktiziert wurde: den Kopf nass machen.

3. Wenn in Songs gegrowlt oder gescreamt wird – muss dann der Songtitel bei Ansagen auch dementsprechend vorgegrowlt werden?

Hier habe ich keine eindeutige Antwort, denn fast niemand hat seine Songtitel beim Auftritt angesagt. Außer Stand Atlantic, aber die growlen auch nicht.

4. Wie viel kulturelles Kapital benötigt man, um als authentische*r Szene-Anhänger*in zu gelten?

Ebenfalls eher schwer, diese Frage allein durch stille Beobachtung zu beantworten. Meines Empfindens nach, ist das aktive Hören der Musik wohl der ausschlaggebendste Punkt sich als Teil der Szene zu verstehen. Doch auffallende Muster in der Repräsentation durch ein bestimmtes Aussehen sind die mit Patches benähten Jeansjacken und -westen und natürlich die Bandshirts mit den unerklärlich verästelten Bandnamen und Logos. Ich finde besonders diese Sammlung an Aufnähern oder Festivalbändern ähnlicher Veranstaltungen besonders authentisch. Da aus meiner Sicht eine umfassende Kenntnis verschiedener Bands damit einhergeht, diese so gesammelt zu präsentieren. Vielleicht macht es daher auf mich einen authentischeren Eindruck, als bei dieser einen Person mit Kaffeekannen-Tattoo und plain white shirt. Doch das soll kein Urteil sein, denn ich bin der Meinung, dass Musik für jede*n da ist, der*die sie gern hören möchte – egal ob sie die Resourcen für solche Accessoires oder Szene-Cues hat.

Achso, aber wichtig – die Pommesgabel! Ich trau mich das nicht zu machen, weil ich das Gefühl habe, das dürfen nur echte Fans machen. So viel zu der Verankerung dieses Szene-Merkmals in meinen Gedanken.

(Aber die Schublade von schwarz gekleideten, tätowierten, bärtigen und langhaarigen Typen wurde natürlich auch beim Full Force bedient)

5. Welche Unterschiede gibt es bei der Szene-Verkörperung von alteingesessenen Metalheads zur neuen Generation?

Aus meiner Sicht spiegelt sich in den jüngeren Generationen hier die Verschmelzung mehrer Genres wider, wie es in den sich immer mehr vermischenden Einflüssen bei heutigen Musikproduktionen erkennbar ist. Es gab einige Personen mit super bunt und in Regenbogenfarben gefärbten Haaren oder Leute im Goth- oder Gurt und Ketten Techno-Look.


Und in schöner Erinnerung an dieses Wochenende habe ich die Full Force Warm-Up Playlist aktualisiert und mit Songs von all den Bands gefüllt, die ich live gesehen habe:

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